Ersatzteil-Pricing und Maschinenbau – das sind die beiden Pfeiler in Tobias Riekers Lebenslauf: Konservativ gestartet mit einer Ausbildung zum Industriekaufmann im After Sales bei einem mittelständischen Maschinenbauunternehmen, danach Pricing-Manager für Ersatzteile, Fachabitur und ein Studium in Ingenieurswissenschaften und International Business. Manuelle Preisrecherchen für Ersatzteile waren Dauerbegleiter, ebenso wie die die Erkenntnis, dass es einer digitalen Lösung Bedarf, um effizient und zeitsparend das volle Potential des Bereichs auszuschöpfen und aktuelle und valide Daten zu generieren. Mit der Gründung von MARKT-PILOT brachte er die erste KI-gestützte Software für automatisierte Preisrecherchen und damit die Lösung für marktorientiertes Ersatzteil-Pricing auf den Markt.
Wie würdest Du das Ersatzteil-Pricing im deutschen Maschinenbau beschreiben?
Zeitaufwändig, manuell, und ich würde es in Summe als stark optimierungsbedürftig beschreiben. Die meisten Unternehmen haben ihren Fokus auf die Kosten und nicht auf den Markt gerichtet und sehen nicht, wie wichtig es ist, den Markt zu kennen und Entscheidungen auf aktueller Datenlage, statt Standard-Margen zu treffen. Wenn man bedenkt, wie viel Umsatz bereits ohne optimiertes Pricing generiert wird und wie relevant der After Sales für Maschinenbauer ist, geht hier wichtiges Potential verloren.
Inwiefern ist der After Sales optimierungsbedürftig?
Als ich noch als Pricing Manager für die Optimierung der Ersatzteilpreise bei verschiedenen Maschinenbauunternehmen verantwortlich war, musste ich alle Preisinformationen händisch im Internet recherchieren. Das war extrem zeitaufwändig und kann der Größe des Marktes und auch der Wichtigkeit der Ersatzteilsparte nicht gerecht werden. Hinter dem Ersatzteil-Pricing steckt riesiges Potential, das die wenigsten Maschinenhersteller kennen und nutzen, aber einen enormen Mehrwert und große Relevanz für diese Unternehmen hat.
Was hat den Auslöser für die Gründung von MARKT-PILOT gegeben?
Ich hätte nie gedacht, dass ich gründen werde. Im Endeffekt hat mich der Need der Kunden zur Gründung von MARKT-PILOT gezwungen. On top hat mich mein damaliger Chef stark unterstützt und die Idee vorangetrieben – heute arbeitet er übrigens selbst für MARKT-PILOT . Er hat mir gezeigt, wie viel Mehrgewinn das Unternehmen damals durch meine manuellen Preisrecherchen machte – mehr als zwei Millionen Euro Deckungsbeitragssteigerung in unter zwei Jahren. Nachdem ich den Einfluss der Marktpreisrecherchen auf die Ersatzteil-Bepreisung bei Maschinenbauunternehmen selbst erlebt und den Need gesehen habe, konnte ich nicht anders. Jede Recherche nach Ersatzteilpreisen und Marktdaten ist an sich schon ein wichtiger Schritt. Gemeinsam mit Amin Oumhamdi habe ich mir aber dann die Frage gestellt: Wie können wir vollautomatisiert nach Preisen suchen? Daraufhin haben wir den ersten Prototypen des heutigen PRICE-RADARS entwickelt und MARKT-PILOT im April 2020 gegründet.
Was macht der PRICE-RADAR?
Der PRICE-RADAR ist eine Software, die aus mehreren tausend Quellen automatisiert Daten über Preise, Lieferzeiten und Verfügbarkeiten aller Kaufteile auf dem Markt recherchiert und sammelt. Bislang ist diese automatisierte Datenrecherche einzigartig und kann vollkommene Markttransparenz schaffen, nicht nur für den DACH-Markt, sondern Märkte weltweit. In der Praxis recherchiert die Software Preise und Lieferzeiten des jeweiligen Ersatzteilportfolios und identifiziert die Potentiale: für welche Teile kann der Marktanteil erhöht werden, welche Preise sind zu teuer oder zu günstig, oder für welche Teile gibt es keine oder kaum Konkurrenz? Die KI-gestützte Software-Lösung ist als Web-App nutzbar und wird seit mehreren Jahren mit Maschinenbaudaten gefüttert. Maschinenbauunternehmen haben so eine fundierte Datenbasis über Preise und Lieferzeiten für jedes einzelne Ersatzteil und somit einen Überblick über den internationalen Markt / Überblick über aktuelle Marktentwicklungen.
„Im Endeffekt hat mich der Need
der Kunden zur Gründung
von MARKT-PILOT gezwungen.“
Welchen Mehrwert bietet MARKT-PILOT seinen Kunden?
Wir erzeugen zum ersten Mal vollumfängliche Markttransparenz und machen für unsere Softwarekunden sprichwörtlich das Licht in der Blackbox an, die der Markt bisher für sie war. Wo Maschinenbauer bisher kostenorientiert kalkuliert haben, liefern wir eine fundierte Datenbasis. Damit ermöglichen wir eine komplett neue und optimierte Möglichkeit, intelligente Preisanpassungen der Ersatzteile umzusetzen. An den Markt angepasste und wettbewerbsfähige Preise steigern nicht nur nachhaltig den Umsatz und Deckungsbeitrag, sondern auch die Zufriedenheit und Loyalität der Kunden. Die KI sorgt hier vor allem auch dafür, dass die gesammelten Marktinformationen mit den Kundendaten übereinstimmen.
MARKT-PILOT wurde zeitgleich mit der ersten Corona-Welle gegründet: Welche Auswirkungen hatte das?
Das Timing war für uns recht glücklich. Durch die Pandemie ist die Akzeptanz für digitale Lösungen gestiegen, sie wurden mehr und mehr gebraucht und in vielen Bereichen wirklich dringend benötigt, was uns natürlich in die Karten gespielt hat. Dass unsere Lösung sich auf Ersatzteile konzentriert, war in dieser Hinsicht auch sehr günstig. Während der Lockdowns haben die Kunden der Maschinenbauunternehmen weniger in neue Maschinen investiert und mehr auf die Reparatur vorhandener Maschinen gesetzt – dafür haben sie natürlich Ersatzteile benötigt. Der Pandemiebeginn zum Gründungszeitpunkt war also kein Rückschlag: Wir haben uns eine ‚Jetzt-erst-recht-Einstellung‘ zugelegt.
Welche 3 Bereiche außerhalb des Maschinenbaus würden am meisten von einer digitalen Lösung profitieren?
Ich persönlich würde digitale Bildung im Schulsystem verankern und über den standardmäßigen Informatikunterricht hinausgehen. Ganz generell würde ich den Ausbau der digitalen Infrastruktur vorantreiben und das Potential der digitalen Transformation für den Klimaschutz nutzen.