"Künstliche Intelligenz wird den Maschinenbau und das Servicegeschäft grundlegend verändern. Unternehmen, die jetzt nicht handeln, riskieren, den Anschluss zu verlieren“, warnte Dr. Matthias Mensing, Director Data & AI bei MARKT-PILOT, im Webinar „KI-Trends 2025: Die Zukunft des Maschinenbaus im After-Sales gestalten“ Ende Januar dieses Jahres. Seine Prognose unterstreicht die Dringlichkeit für Maschinenbauer, sich mit den neuesten KI-Trends auseinanderzusetzen.
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Entsprechend hoch war das Interesse der Teilnehmer am Online-Event. Knapp 100 Serviceverantwortliche namhafter Maschinenhersteller aus dem deutschsprachigen Raum folgten der Einladung von MARKT-PILOT. Matthias Mensing präsentierte nicht nur aktuelle Entwicklungen, sondern wagte auch einen Blick in die nahe Zukunft der Branche.
DeepSeek - ein neuer „Sputnik-Schock“? Aktuelle Entwicklungen und Prognosen
Zu Beginn ging er auf die jüngsten Entwicklungen an der „KI-Front“ ein und stellte provokant die Frage, ob es sich beim Launch von DeepSeek r1 um einen neuen „Sputnik-Schock“ handle – anspielend auf den Start des ersten künstlichen Erdsatelliten 1957 durch die damalige Sowjetunion. China habe jedenfalls bewiesen, so Matthias Mensing in seinem Vortrag, dass attraktive Alternativen zu den etablierten KI-Technologien des Silicon Valley möglich sind – zu geringeren Entwicklungskosten und mit älterer Hardware.
„Das neue Large Language Model (LLM) des chinesischen Startups hat die Tech-Branche weltweit aufgerüttelt; nicht zuletzt deshalb, weil es die generelle Hypothese, dass weitere signifikante Fortschritte in der generativen künstlichen Intelligenz nur durch den Einsatz von immer mehr Hardware-Ressourcen, widerlegt, sondern vielmehr die Kunst darin liegt, die existierenden Konzepte intelligent miteinander zu verknüpfen.“
Matthias Mensing erläuterte die potenziell disruptiven Auswirkungen dieses Modells auf den Markt: Die Open-Source-Natur und die deutlich niedrigeren Kosten pro Token würden die Veröffentlichung von DeepSeek zu einem Game-Changer für die Industrie machen, so der Referent.
Diese Entwicklung habe weitreichende Folgen auch für den Maschinenbau. KI werde sich angesichts der jüngsten Entwicklungen und der damit verbundenen Vorteile letztlich auch in dieser Branche durchsetzen. Laut einer aktuellen Studie von Bain & Company können Maschinenbaufirmen weltweit ihre Produktivität durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz um 30 bis 50 Prozent steigern.1) Matthias Mensing betonte, dass gerade im Servicebereich enormes Potenzial liegt: "Wir sehen, dass KI-gestützte Predictive-Maintenance-Systeme die Ausfallzeiten von Maschinen um die Hälfte reduzieren können. Das bedeutet nicht nur Kosteneinsparungen, sondern auch eine deutliche Steigerung der Kundenzufriedenheit."
Aktuelle Untersuchungen bestätigen die Aussagen. So lasse sich durch den Einsatz von KI die durchschnittliche Reparaturzeit reduzieren, indem sie präzise Diagnoseinformationen liefert und die Reparaturprozesse optimiert (Mean Time to Repair).2) Außerdem führe die KI-gestützte Optimierung von Produktionsprozessen zu einer höheren Gesamtanlageneffektivität (OEE) und damit zu einer besseren Auslastung und Effizienz der Maschinen.2)
Open-Source-Modelle verändern den Markt
Ein weiterer Trend, den der Director AI & Data bei MARKT-PILOT hervorhob, ist die zunehmende Eigenentwicklung von KI-Lösungen in Unternehmen. "Im Jahr 2024 ist der Anteil standardisierter, fertiger Technologien wie ChatGPT in Unternehmen gegenüber dem Vorjahr bereits gesunken. Dagegen steigt die Zahl der Firmen, die selbst KI-Lösungen entwickeln wollen, auch und gerade wegen der Verfügbarkeit von Open-Source-Modellen.“ Diese Entwicklung eröffne Maschinenbauern neue Möglichkeiten, maßgeschneiderte KI-Lösungen für ihre spezifischen Anforderungen einzusetzen.
Matthias Mensing prognostizierte in diesem Zusammenhang eine Verschiebung im KI-Sektor. Es werde erwartet, dass Open-Source-Modelle signifikante Marktanteile gewinnen werden, während etablierte Anbieter wie OpenAI Anteile verlieren könnten. Entwicklungen wie DeepSeek würden bisherige Paradigmen zu künstlicher Intelligenz widerlegen und die Geschäftsmodelle traditioneller KI-Anbieter hinterfragen, so der Referent.
Konkret:
- KI ist komplex und aufwändig, deshalb ist sie teuer und muss damit zu Premium- Preisen angeboten werden
- Höhere KI-Leistung ist nur durch leistungsfähigere Chips (Hardware) möglich.
- Die Skalierung von KI kann nur durch große Rechenzentren erreicht werden.
Spezialisierung und Autonomie: KI-Agenten im Servicebereich
Ein weiterer wichtiger Trend sei die Spezialisierung der KI-Anbieter, wie Matthias Mensing ausführte. Der Markt bewege sich weg von horizontalen, allumfassenden Lösungen hin zu vertikalen, spezialisierten Anbietern für bestimmte Aufgaben oder Branchen. Für den Maschinenbau bedeute dies, dass in Zukunft vermehrt KI-Lösungen verfügbar sein werden, die speziell auf die Bedürfnisse der Branche zugeschnitten sind.
Besonders spannend für den Servicebereich ist laut Matthias Mensing der erwartete Durchbruch der KI-Agenten. Diese autonomen Systeme, die eigenständig Entscheidungen treffen können, werden in verschiedenen Bereichen zum Einsatz kommen. "Stellen Sie sich vor, ein KI-Agent überwacht kontinuierlich den Zustand einer Maschine, bestellt automatisch Ersatzteile, wenn sie benötigt werden, und plant sogar Wartungstermine mit dem Kunden. Das ist keine Zukunftsmusik, sondern wird in den nächsten Jahren Realität werden."
Demokratisierung der KI
Fakt ist: Die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf den Maschinenbau und sein Servicegeschäft sind vielfältig. Die zunehmende Verfügbarkeit leistungsfähiger und kostengünstiger, innovativer KI-Modelle wird es auch kleineren und mittleren Unternehmen ermöglichen, entsprechende Lösungen zu implementieren. Dies führe zu einer „Demokratisierung“ der KI-Technologie in der Branche, wie Matthias Mensing betonte. Der Manager sprach in diesem Zusammenhang von einer „Revolution in der Kundenbetreuung“, die KI-gestützte Systeme auslösen würden. Chatbots und virtuelle Assistenten, die auf spezialisierten Sprachmodellen basieren, bearbeiten automatisch einen Großteil der Kundenanfragen und entlasten somit die Servicemitarbeiter von Routineaufgaben.
Auch im Bereich der vorausschauenden Wartung (Predictive Maintenance) eröffnen sich neue Möglichkeiten. Typisches Szenario: KI-Systeme analysieren Sensordaten in Echtzeit und erkennen frühzeitig potenzielle Probleme, bevor sie auftreten. Dies ermöglicht eine effizientere Planung von Wartungsarbeiten und reduziert ungeplante Ausfallzeiten. Laut aktuellen Informationen kann der Einsatz von KI im Predictive Maintenance die Lebensdauer von Maschinen und Anlagen um durchschnittlich 20 Prozent verlängern.3) Dies wird durch den Einsatz von Condition Monitoring und Machine Learning ermöglicht, die es erlauben, Verschleiß präzise vorherzusagen und Instandhaltungsarbeiten optimal zu planen.
Eine McKinsey-Studie zeigt, dass Unternehmen, die KI-gestützte Predictive-Maintenance-Lösungen einsetzen, ihre Instandhaltungskosten um bis zu 25 Prozent senken können.3) Diese Kostenreduktion ist hauptsächlich auf die Vermeidung teurer Stillstandszeiten und die Verringerung des Verschleißes von Komponenten zurückzuführen. So nutzt ein renommiertes Stahlwerk beispielsweise die auf KI-Algorithmen basierende Datenanalyse, um den Einsatz von Walzen zu optimieren, was zu einer Verlängerung der Lebensdauer um 18 Monate führte.3)
Diese Zahlen verdeutlichen das erhebliche Potenzial von KI-gestützter vorausschauender Wartung zur Verbesserung der Maschineneffizienz und -lebensdauer in industriellen Anwendungen.
Künstliche Intelligenz im Ersatzteilgeschäft
Im weiteren Verlauf des Webinars erläuterte Matthias Mensing die Bedeutung von künstlicher Intelligenz speziell für das Ersatzteilgeschäft. Die Branche stehe hier vor einer Reihe von Herausforderungen, die durch den Einsatz von KI adressiert werden können.
Konkret heißt das:
- Marktschwankungen und steigende Kundenerwartungen: Die Nachfrage nach Ersatzteilen variiert stark in globalen Märkten, während Kunden gleichzeitig schnelle Verfügbarkeit und präzisen Service erwarten.
- Zunehmender Kostendruck: Neue und internationale Wettbewerber verschärfen den Preisdruck im Ersatzteilgeschäft.
- Steigende Komplexität: Tausende von Artikeln, multiple Regionen und Kundensegmente sowie schwankende Nachfrage erhöhen die Komplexität des Portfoliomanagements.
- Preisgestaltung und Wettbewerb: Unterschiedliche Preispunkte in verschiedenen Regionen und Vertriebskanälen erschweren eine einheitliche Preisstrategie, während Wettbewerber schnell auf dynamische Preisstrategien umstellen.
- Operative und Bestandsineffizienzen: Übermäßige Lagerbestände binden Kapital, während Lieferengpässe zu Umsatzverlusten führen können.
- Heterogene Datenquellen: Die zunehmende digitale Transformation führt zu einer Vielzahl von Datenquellen, wie IoT-verbundene Geräte, ERP-Systeme und E-Commerce-Plattformen.
Matthias Mensing: „KI-gestützte Systeme können helfen, die gestiegenen Anforderungen zu bewältigen, ohne die Kosten zu erhöhen. Sie versetzen Unternehmen in die Lage, bessere Entscheidungen auf Basis von mehr Markttransparenz zu treffen und zusätzliche Serviceangebote durch Automatisierung und Nutzung digitaler Dienste zu schaffen." So ließe sich mit KI-gestützten Prognosemodellen beispielsweise die Bedarfsvorhersage für Ersatzteile deutlich verbessern. Dies führe zu einer Reduzierung der Lagerbestände bei gleichzeitiger Erhöhung der Verfügbarkeit, wie Matthias Mensing ausführte.
Bits und Bytes auf Teilejagd: KI-Einsatz bei MARKT-PILOT
Um die Potenziale von künstlicher Intelligenz im Ersatzteilgeschäft zu veranschaulichen, präsentierte Matthias Mensing zwei konkrete Anwendungsfälle aus der Praxis von MARKT-PILOT:
Diese Beispiele verdeutlichen, wie KI nicht nur operative Prozesse optimiert, sondern auch strategische Entscheidungen im Ersatzteilgeschäft unterstützt. "Die Integration solcher KI-Lösungen wird in den kommenden Jahren entscheidend für den Erfolg im Servicebereich sein", resümierte Matthias Mensing.
Ein weiterer Aspekt, den er hervorhob, ist die Möglichkeit, mittels künstlicher Intelligenz neue Geschäftsmodelle im Servicebereich zu entwickeln. "Wir sehen einen Trend zu 'Equipment-as-a-Service'-Modellen, bei denen Maschinenhersteller nicht mehr nur Produkte verkaufen, sondern Verfügbarkeit und Leistung garantieren. KI spielt hier eine Schlüsselrolle, indem sie die kontinuierliche Überwachung und Optimierung der Anlagen ermöglicht."
Weitere Webinare zu KI im Maschinenbau geplant
Abschließend appellierte Matthias Mensing an die Teilnehmer, sich aktiv mit den neuen KI-Technologien auseinanderzusetzen: "Die Frage ist nicht mehr, ob künstliche Intelligenz Einzug in den Maschinenbau und das Servicegeschäft hält, sondern wie schnell Unternehmen diese Technologien adaptieren und für sich nutzen können."
Das Webinar bildete den Auftakt zu einer von MARKT-PILOT für dieses Jahr geplanten Online-Veranstaltungsreihe zu den verschiedenen Aspekten künstlicher Intelligenz im Maschinenbau. In den nachfolgenden Webinaren wird es um konkrete Anwendungsfälle im Service- und Ersatzteilgeschäft der Branche gehen.
(Quellen)
- https://www.springerprofessional.de/kuenstliche-intelligenz/maschinen/innovationsfaehigkeit-entscheidend-fuer-mehr-produktivitaet/27010934
- https://www.markt-pilot.com/de/ki-im-maschinenbau
- https://ratgeber.volz-witten.de/predictive-maintenance/